Miteinander
Als ich gefragt wurde, ob ich etwas zum Thema „Miteinander“ schreiben mag, fiel mir eine Traurede ein, die ich vor vielen Jahren auf der Hochzeit eines befreundeten Paares gehört hatte. Der Standesbeamte sprach davon, dass das Wichtigste in einer Beziehung sei, miteinander zu sprechen. Im Austausch zu bleiben. In guten und – vor allem – in schlechten Zeiten. Das sei für ihn das Fundament einer langen und guten Partnerschaft.
Ich finde, der Trauredner hat damit einen wichtigen Punkt angesprochen. Für mich kann wirkliches Miteinander nur dann gelingen, wenn wir miteinander im Gespräch bleiben. Wenn wir einander von uns erzählen und von dem, was uns bewegt. Und wenn wir einander zuhören. In der Bereitschaft und Offenheit, den anderen wirklich zu sehen. Empathie und Mitgefühl füreinander zu entwickeln.
„Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort.
Dort können wir uns begegnen“ - Rumi
Natürlich ist es nicht immer leicht, konstruktiv miteinander zu sprechen und vielleicht auch mal zu streiten. Haben wir doch alle unsere –teils festgefahrenen- Bilder und Vorstellungen im Kopf. Und natürlich „prallen“ auch manchmal unsere Werte aufeinander. Unser Ego ist ja gern überzeugt davon, Recht zu haben.
Begeben wir uns aber auf eine andere Ebene, hören und sprechen wir aus dem Herzen, statt mit dem Verstand, dann kann eine Brücke entstehen, über die wir auf den anderen zugehen können. Eine echte Verbindung. Wir können einander besser kennenlernen und so kann vielleicht sogar dann ein Miteinander entstehen, wenn wir nicht einer Meinung sind. Denn letztendlich wünschen wir uns alle dasselbe: Liebe, Sicherheit, keine Angst zu haben, Gemeinschaft. Machen wir uns das bewusst, so können wir uns wieder auf der Ebene des Miteinander begegnen.
Die Podcasterin und Bloggerin Carina Schimmel schreibt in ihrem wöchentlichen Newsletter „Gute Gedanken“:
Das Aussprechen der eigenen Gedanken, das Erzählen der eigenen Geschichten (nicht zu häufig, da sie sich sonst verändern und Macht über uns entfalten) kann wohltuend heilsam sein. Das Aussprechen alleine kann (Frei-)Raum schaffen, so als würden wir die Fenster zu unserem Geist öffnen und einmal ordentlich durchlüften.
Damit ich meine Gedanken aussprechen kann, braucht es das Gegenüber, das mir zuhört. Nicht mit dem Kopf, der schon gleich eine Antwort sucht oder Lösungen parat hat – sondern mit der Offenheit und Liebe des Herzens. Es braucht die Bereitschaft, einem anderen Menschen den Raum zu geben und ihn zu halten, damit er sich uns anvertrauen kann. Halte ich liebevoll den Raum für den anderen, dann kann ich meinem Gegenüber helfen, selbst eine Lösung zu finden....Michael Ende hat das in seinem Buch „Momo“ ganz wundervoll beschrieben. Vielleicht kennst Du diese Passage aus dem Buch?
Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: Zuhören.
… Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig.
Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf- und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören. (aus „Momo“ von Michael Ende)
Lasst uns miteinander sprechen und einander zuhören und so Brücken bauen für ein wundervolles Miteinander,
Von Herzen,
Susanne Brünjes